2022-04-29 News vom Sensorakteur TU Chemnitz – Professur Mess- und Sensortechnik (MST)

Elektrochemische Sensoren neu gedacht: Innovationen mit Nanomaterialien

Elektrochemische Sensoren zur Bestimmung von Stoffkonzentrationen und Ionennachweiß in Wasser und Boden sind aus der Welt der modernen sensorgestützten Zustandsüberwachung für Umwelt und Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Die Beobachtung von einzelnen Bestandteilen ermöglicht Aussagen zu Schadstoffen, den effizienten Einsatz von Düngemitteln, die Detektion von Fremdbestandteilen und vieles mehr.

An der Professur Mess- und Sensortechnik, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, werden neuartige funktionalisierte elektrochemische Sensoren entwickelt. Dabei werden Methoden zur Herstellung der Sensorelektroden geschaffen, um eine wesentliche Erhöhung der Sensitivität der Sensoren zu erreichen. Als Materialien für den Nachweis von Nitrit und Nitrat in realen Anwendungen werden siebgedruckte und laborbasierte laserinduzierte Graphenelektroden untersucht. Durch Elektrodenfunktionalisierung mit Kohlenstoffnanomaterialien sowie Gold- und Kupfer-Nanopartikeln wird die Selektivität und Sensitivität gezielt verbessert. Ziel ist die Messung von Substanzen in realen Medien bei Anwesenheit von interferierenden Materialien. Dabei sollen auch kleinste Konzentrationen gemessen werden können. Mit diesem technologischen Ansatz können Sensoren für verschiedene Ionen und Substanzen in Flüssigkeiten realisiert werden. Dabei wurde eine Nachweisgrenze von bis zu 0,0001 mg/L für Nitrit und 2,05 mg/L für Nitrat erreicht. Es werden große Messbereiche abgedeckt, wie z. B. 0,0005 mg/L bis 6,4 mg/L für Nitrit und 6,2 mg/L- 465 mg/L für Nitrat. Die Sensoren zeigen eine gute Reproduzierbarkeit (RSD < 5%) und eine hohe Selektivität gegenüber anderen interferierenden Ionen.

Im Projekt Nitramon (2018-2021) stand die Messung von Nitratkonzentration im Fokus. Bei diesem Thema gibt es einen großen Nachholbedarf in der Bundesrepublik Deutschland, weil Grenzwerte vielerorts nicht eingehalten werden, zugleich aber eine flächendeckende Überwachung noch nicht verfügbar ist. Die zulässige Konzentration für Nitrit und Nitrat in Grundwasser, Flüssen und Seen soll 0,5 mg/L bzw. 50 mg/L nicht überschreiten. Die Professur arbeitete im Projekt gemeinsam mit den Professuren Numerische Mathematik (Prof. O. Ernst), Supramolekulare Chemie (Prof. E. Kataev) sowie Regelungstechnik und Systemdynamik (Prof. S. Streif) an einem energieautarken Messsystem, welches auf einfache Weise als Sensornetzwerk eingesetzt werden kann, um eine umfassende Feldüberwachung  zu ermöglichen.

Die neuartige Sensorik wird im Projekt Nutricon derzeit ausgeweitet, von der Nitrat/Nitrit hin zur Phosphat, Magnesium, Calcium und Kalium Detektion. In Zusammenarbeit mit den Professuren Regelungstechnik (Prof. S. Streif) und Systemdynamik und Angewandte Analysis (Prof. T. Ullrich) werden Sensoren für intelligente Bewässerungssysteme im sogenannten „Vertical Farming“, bei dem Pflanzen gezielt bedarfsgerecht versorgt werden können, entwickelt. Hier kommen die Stärken der Sensoren bezüglich geringer Nachweisgrenze und Zuverlässigkeit besonders zur Geltung.

Die Zukunft der elektrochemischen Sensoren liegt vor allem im Bereich der Nanomaterialien, mit welchen sie funktionalisiert werden können und selektiv auf bestimmte Ionen reagieren. Die Möglichkeiten im Bereich Wasserqualitätsmonitoring sind dabei enorm. In einem aktuellen wissenschaftlichen Beitrag[1] mit 50 Seiten gibt Prof. Kanoun mit ihrem Team eine Übersicht über elektrochemische Sensoren für den Nachweis von Wasserverunreinigungen, wie z. B. Pestizide, Nitrat, Nitrit, Phosphor, Wasserhärte, Desinfektionsmittel und weitere aufkommende Verunreinigungen durch Schadstoffe, wie z. B. Phenol, Östrogen und Gallussäure.

Nebenbei ergeben sich große Kosteneinsparungen beim Material und beim nachgelagerten Messystem, sodass eine günstige Herstellung ermöglicht und damit ein weit verbreiteter Einsatz realistisch wird. Dies ist insbesondere wichtig, um verteilte Messungen über große Flächen zu realisieren, die eine nachhaltige Digitalisierung im Umweltbereich und in der Landwirtschaft zu ermöglichen. Einzelne Messstellen sind in vielen Bereichen nicht ausreichend, um sich ein umfassendes Bild über den Zustand der Umwelt zu machen. Nanokompositsensoren können damit im Kleinen die Probleme im Großen lösen.

Kontakt: Prof. Olfa Kanoun, Professur Mess- und Sensortechnik, Reichenhainer Str. 70, 09126 Chemnitz, olfa.kanoun@etit.tu-chemnitz.de, +49 371 531-36931

[1] https://www.mdpi.com/1424-8220/21/12/4131